Landgericht Hamburg bedroht Internetforen (Termine)

Martin Vogel ⌂ @, Dortmund / Bochum, Wed, 19.04.2006, 16:14 (vor 6553 Tagen)

Das Landgericht Hamburg, das für seine aufwühlenden (und oft grandios missverstandenen) Interneturteile vom Typ "wer einen Link setzt, macht sich den Inhalt der verlinkten Site zu Eigen" bekannt ist (Az. 312 O 85/98), hat jetzt noch einen draufgesetzt, indem es Internetforen mit "besonders gefährlichen Einrichtungen" vergleicht und Meinungsäußerungen dort grundsätzlich erst nach redaktioneller Kontrolle sehen will (Az. 324 O 721/05).

Da ich die Meinung des Heise-Verlages, dass dies alle Foren betreffe und nicht nur nahezu unmoderierte Massenveranstaltungen, nicht teile (wir sind hier doch nicht in China!), wird dieses Forum auch zukünftig in der bestehenden Form weitergeführt.

Ich zitiere aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:

Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei
zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die
Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

...das ändert allerdings nichts daran, dass hier auch zukünftig Einträge nichts zu suchen haben, die Verfasser oder Forenbetreiber vor rechtliche Probleme stellen, indem sie beispielsweise durch die Wortwahl den Bereich der freien Meinungsäußerung verlassen oder urheberrechtlich nicht freigegebene Texte oder Grafiken enthalten. Zur Strafbarkeit von Boykottaufrufen siehe Urteil des LG Düsseldorf vom 19.09.2001 - Az. 12 O 311/01.

Leider steht zu befürchten, dass viele Forenbetreiber überreagieren und ihre Foren nun schließen. So will ich übrigens auch die Überschrift verstanden wissen - sie könnte auch "zu erwartende Überreaktionen auf Urteil des Landgerichts Hamburg bedrohen Internetforen" heißen, aber das erschien mir zu lang.

Dass die Sorge um die deutsche Forenlandschaft nicht ganz abwegig ist, beweisen allein zehntausende "Disclaimer", mit denen sich Websitebetreiber in völliger Unkenntnis oder Fehlinterpretation des eigentlichen Urteils von ihren selbstgesetzten Links distanzieren wollen (und dabei auch noch oft das falsche Aktenzeichen "Az. 312 0 85/99" anstelle von "Az. 312 O 85/98" verwenden).

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Dipl.-Ing. Martin Vogel
Leiter des Bauforums

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