Das Haus des Architekten (Wettbewerb)

x666x, Mon, 25.09.2006, 09:26 (vor 6394 Tagen)

Beitrag zum Schreibwettbewerb auf http://bauforum.wirklichewelt.de von Sebastian Sprenger

Eigentlich wollte Herr P. aus B. lediglich ein Haus bauen. Ein kleines Einfamilienhaus sollte es werden. Nicht zu groß für seine Familie, grad klein genug um jeglichen Planungen seiner Schwiegermutter einmal zu ihm und seiner Frau, ihrer Tochter, zu ziehen den Gar aus zu machen. Zu klein natürlich auch nicht, hatte er sich doch schon längst mit dem Kinderwunsch seiner Ehefrau abgefunden. Unterkellert natürlich. Inklusive Waschraum und Bastelkeller, damit beide Parteien sich zurückziehen könnten, sollte es mal krachen.
So wandte er sich also voller Tatendrang an den Architekten des Vertrauens seines Freundes, denn schön sollte es werden. „Na dann erzählen Sie mal von Ihren Vorstellungen“, forderte ihn dieser auf, war er doch gewissenhaft und wollte auf die Wünsche seines Klienten eingehen. „Nun, ich möchte ein Haus, nicht zu klein und nicht zu groß, möglichst einfach. Zweigeschossig inkl. Keller. Und Garten. Da wir Kinder haben sollen, sollten mindestens 2 Zimmer für diese eingeplant werden.“ „Sehr gut. Kinder.“, erwiderte der Architekt. „Da habe ich die perfekte Idee, eine Vision. Ich plane Ihnen ein Haus. Aber nicht irgendein Haus! Nein! Ihr Haus wird das beste und schönste, innovativste Haus, welches jemals gebaut wurde!“ „Aber kann ich mir das denn leisten?“ „Aber natürlich, machen Sie sich da mal keine Sorgen! Ihre Mauern werden aus den schönsten Steinen östlich des Mississippi gefertigt, kommen aus den tiefsten Tiefen Deutschlands aus einem kleinen Steinwerk, in dem jegliche Steine penibel von Hand gefertigt werden! Das oberste Stockwerk wird mit einer Terrasse versehen, in der ein Whirl-Pool eingebaut ist, so dass Sie auch im Winter immer im warmen Pool entspannen können.“ „Nun, dass klingt alles toll aber…“ „Lassen Sie mich nur machen! In 3 Wochen habe ich den Entwurf fertig! Dann werde ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen.“
„Nun gut, der Mann ist vom Fach“, dachte er sich, „und schließlich wurde er mir von Bernd empfohlen. Wird schon richtig sein.“
Drei Wochen später lud der Architekt Herrn P. aus B. und seine Frau, Frau P. aus B., geborene S., zu einem Treffen zwecks Vorstellung seiner Vision ein. „ (…) und schließlich wird das Grundstück über eine Zugbrücke verschlossen, und ringsherum wird ein Wassergraben ihr Haus vor ungebetenen Gästen schützen!“ Dabei wies der Mann vom Fach immer wieder auf die Harmonie der Linienführung seiner Planung hin, um das noch junge Ehepaar zu überzeugen. „Zugbrücke?!“, dachte Herr P., „Wassergraben?! Dann kommt wenigstens ihre Mutter nicht ungebeten rein. Die ist Nichtschwimmer!“ Sie wirkte allerdings weniger glücklich, war sie doch Bauingenieurin und verstand zumindest ein wenig von statischen Grundvorraussetzungen. „Und wie bitte stellen Sie sich den 10 mal 10 Meter großen Balkon inklusive Whirl-Pool statisch vor?“ „Nun, ursprünglich sollte der Pool in eine Terrasse eingelassen sein, allerdings hielten wir die Idee für zu alt und ausgelutscht.“ „Und wie kommen Sie auf die Idee, dass wir unseren Garten als Parkfläche vermieten möchten?“ „Da ihr Mann mir ihre finanzielle Situation mitteilte, haben wir nach Möglichkeiten gesucht, dieses Jahrhundertprojekt zu verwirklichen und sie zu unterstützen.“ „Aber warum um alles in der Welt ist die Nordseite des Hauses Halbkreisförmig, während die Südseite pyramidisch aufgebaut ist? Und die Wand an der Ostseite ist überhaupt keine Wand, sondern besteht aus Gitterstäben?! Ganz zu schweigen von der Westseite, die gar keine Wand aufweist.“ „Nun, es müssen durchaus noch statische Nachweise erbracht werden, jedoch sehe ich in diesem Projekt eine Chance. IHRE Chance auf Prestige und neidische Blicke ihrer Nachbarn!“ „Parkplatz, Gitterstäbe,“ dachte er „der Mann versteht sein Handwerk!“ „Ich denke, das bedarf einiger Überlegungen“, sprach sie.
Mittlerweile wohnt Familie P. aus B. in einer kleinen, aber nicht zu kleinen Wohnung. Ohne Zugbrücke, ohne Graben. Die Schwiegermutter direkt in der Wohnung drüber, jedoch weit weg von jeglicher Harmonie diverser Linien…

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