Bericht des amerikanischen Energieministeriums zum friedlichen Einsatz von Atombomben (Allgemeines)

Martin Vogel ⌂ @, Dortmund / Bochum, Mon, 31.05.2010, 23:19 (vor 5071 Tagen) @ Maik Herber

Bei Sekunde 19 ist die Stelle im Video, wo anscheinend etwas von … Millionen Kubikmeter Gas gesagt wird. Es klingt wie "ми>>ионов кубич метров газа".

Die Zahl 10 Millionen scheint mir aber viel zu hoch gegriffen zu sein. Laut diesem Dokument des amerikanischen Energieministeriums (Seite 34 f.), in dem sogar von 12 Millionen Kubikmetern Gas pro Tag die Rede ist, handelte es sich um eine 8-Zoll-Bohrung, also einen Bohrkanal von rund 20 cm Durchmesser. Teilt man 10 Millionen Kubikmeter pro Tag durch die 86400 Sekunden eines Tages und die Bohrkanalfläche von 0,0314 Quadratmetern, so erhält man eine Austrittsgeschwindigkeit von 3685 m/s oder ungefähr Mach 11. Bei 1,5 Millionen Kubikmetern pro Tag (wie in der italienischen Meldung angegeben) reduziert sich das auf immer noch imposante 553 Meter pro Sekunde – 1,7-fache Schallgeschwindigkeit. Wer hat denn in Fluidmechanik aufgepasst und kann die wahrscheinlichste Austrittsgeschwindigkeit berechnen?

Das von M. D. Nordyke im September 2000 herausgegebene Dokument mit dem Titel "Das Sowjetische Programm zur friedlichen Nutzung von Kernexplosionen" scheint die zuverlässigste Quelle zu dem Thema zu sein. Dort wird die Maßnahme wie folgt beschrieben:

"Kurz nach der Einführung des sowjetischen PNE-Programms (peaceful nuclear explosions = Friedliche Kernexplosionen) wurde den Leitern des Programms ein dringliches industrielles Problem angetragen. Könnte eine unterirdische Kernexplosion dazu verwendet werden, einen seit drei Jahren wütenden Gasquellenbrand zu löschen?

Am 1. Dezember 1963 hatte man beim Niederbringen der Bohrung Nr. 11 im Urtabulak-Gasfeld im südlichen Usbekistan, etwa 80 Kilometer südöstlich von Buchara, bei einer Tiefe von 2450m die Kontrolle über die Bohrung verloren.

Dies führte zum Entweichen von mehr als 12 Millionen m³ Gas pro Tag durch ein 8-Zoll-Rohr. Das ist genug, um eine große Stadt wie St. Petersburg zu versorgen. Der Formationsdruck (Gasdruck im Reservoir) betrug etwa 270 bis 300 Bar.

Während der folgenden drei Jahre wurden viele Versuche mit unterschiedlichen Techniken unternommen, um die Quelle an der Oberfläche zu verschließen oder die Strömung zu vermindern und die Flammen zu löschen. Da aber die letzten 1000 m des Bohrlochs noch nicht zementiert waren, führten diese Unternehmungen zur Ausbreitung des Gases in nahegelegene Bohrungen und zu ernsthaften Personenschutzproblemen wegen des hohen H₂S-Gehaltes des Gases.

Unterirdische Maßnahmen wurden dadurch behindert, dass der untere Abschnitt des Lochs zum Zeitpunkt des Kontrollverlustes noch nicht vermessen war.

Schließlich wurde im Herbst 1966 der Entschluss gefasst, die Bohrung durch eine nukleare Sprengung zu verschließen. Man glaubte, die Kernexplosion könne je nach Sprengkraft jedes Loch im Umkreis von 25 bis 50 Metern um den Explosionsherd herum zusammenquetschen.

https://www.youtube.com/watch?v=ord-AyaFLaA

Zwei 44,5-Zentimeter-Schrägbohrungen (Loch 1c und 2c) wurden gleichzeitig niedergebracht. Sie sollten in einer Tiefe von 1500 Metern inmitten einer 200 Meter mächtigen Lehmschicht so dicht wie möglich an Bohrung Nr. 11 herankommen.

Diese Tiefe hielt man für ausreichend, um dem Druck von 300 Atmosphären aus der Gasformation darunter entgegenwirken zu können.

Eine Reihe akustischer und elektromagnetischer Verfahren wurde bei 1450 Metern Bohrtiefe angewendet, um die Entfernung zwischen Loch Nr. 11 und dem geneigten Sprengkörperaufnahmeloch zu schätzen. Die letzte Schätzung ergab einen Minimalabstand von 35 ± 10 Metern.

Die Sprengkammer in Loch 1c wurde gekühlt, um eine Temperatur zu erreichen, der die Sprengeinrichtung widerstehen konnte. Dieser speziell entwickelte 30-Kilotonnen-Nuklearsprengkörper aus dem Atomwaffenlabor Arzamas wurde in Loch 1c eingebracht und verpfropft. Er wurde am 30. September 1966 gezündet. Dreiundzwanzig Sekunden später erlosch die Flamme und das Bohrloch war versiegelt."

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Dipl.-Ing. Martin Vogel
Leiter des Bauforums

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