Hellseher und zahlende Kunden (HS Bochum)

Christoph Heitfeld, Hagen i.W., Wed, 26.04.2006, 00:13 (vor 6568 Tagen) @ Martin Vogel

Guten Abend Herr Vogel!

Ursprünglich drehte ich sich ja hier um die mangelnde Beteiligung der studentische Senatsmitglieder bei einer wichtigen Entscheidung und einen Interpretationsversuch (keinen Versuch der Entschuldigung, wohlgemerkt) meinerseits, wie es dazu gekommen sein könnte. Leider sind Sie, immerhin ebenfalls Senatsmitglied und damit viel tiefer in der Materie als ich, nicht auf die von mir erwähnten Mehrheitsverhältnisse eingegangen. Wie sieht es denn in der Realität aus? Hätten die fünf Studenten denn überhaupt eine Chance gehabt, das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen, wenn sie einstimmig und überzeugt aufgetreten wären? Ich habe offen zugegeben absolut keine Ahnung, wie die Verhältnisse im Senat aussehen, da ich mich in meiner Zeit an der FH nicht hochschulpolitisch betätigt habe (das hatte ich bereits an der Unido hinter mir). Helfen Sie mir!

Es ist verlockend, anzunehmen, dass alle Studenten gegen Studiengebühren
sein müssten und alle anderen dagegen

Studiengebühren sind, sofern sie richtig eingesetzt werden und die Finanzierung für die Studenten nicht zum unkalkulierbaren Wagnis wird, sicherlich überdenkenswert. Der Teufel steckt aber im Detail. Wie lange wird es dauern, bis die positiven Effekte der Gebühren auch greifen werden? Zahlen die Studenten da nicht in der Anfangsphase drauf, ohne eine sofortige Verbesserung als Gegenleistung zu erhalten? Warum verbessert man nicht erst die Studienbedingungen und fordert dann dafür Gebühren? Würden Sie einer drastischen Mieterhöhung zustimmen, ohne dass Ihr Vermieter dafür auch Ihre Wohnsituation verbessert?

Tatsächlich jedoch sind die Mittel
zweckgebunden zur Verbesserung der Studienbedingungen einzusetzen, kommen
also (von Verlusten durch Verwaltung und Ausfallfonds abgesehen) den
Zahlenden (und den hunderten von den Beitragszahlungen ausgenommenen
Studierenden) zugute.

Hört sich theoretisch gut an - aber wie wird es praktisch umgesetzt? Wie hoch werden die Verwaltungs- und Rückstellungsverluste sein? Was passiert, wenn sich die desolate Finanzlage der Länder, die die Hochschulen ja zum Großteil finanzieren, nicht bessert? Wer garantiert, dass nicht demnächst dafür an anderen Stellen gespart wird und mit den Studiengebühren aufgefangen werden muss, was sonst gar nicht einzusparen gewesen wäre? Klar, die Mittel sind zweckgebunden - aber dann wird halt anderswo gespart. Und sagen Sie nicht, das ginge nicht - anderswo geht es schließlich auch (Beispiel auf einer anderen Ebene: Finanzierung des Brandschutzes durch die Kommune als Pflichtaufgabe, die plötzlich geringer wird, sobald ein Feuerwehrverein (privatrechtlich!) zur Förderung gegründet wird).

Es kamen gestern bereits Ideen seitens der
Studierenden auf, von dem Geld beispielsweise Modellbaumaterial und
Zeichenkarton anzuschaffen, damit sich auch Architekturstudierende ohne
starken finanziellen Hintergrund ihre teuren Modelle und
Präsentationsgrafiken leisten können.

<ironie>Dann sollte man die Studiengebühr wohl besser Kartonfinanzierung nennen!</ironie> Solche Vorschläge sind natürlich nett - aber das kann doch nur ein winziges Detail sein! Schon allein die Vorgehensweise an sich ist merkwürdig! Da wird die Einführung von Studiengebühren beschlossen, ohne dass man weiß, was man damit machen will. Liegt von Seiten der FH schon ein Konzept vor, wie die Mittel konkret eingesetzt werden sollen? Wie sieht der Zeitplan aus? Ich finde zumindest auf fh-bochum.de nichts dazu. Ich hoffe, Sie können mich mit besseren Infos versorgen, ansonsten hat das Ganze schon ein bißchen was von "erstmal kassieren und dann mal gucken". Blöderweise geschähe das dann auf dem Rücken der Studis, die eben größtenteils schon genau schauen müssen, wie sie das bißchen verfügbare Kohle verwenden.

Auf der anderen Seite muss sich das
Personal der Hochschule nun mit der neuen Situation abfinden, dass die in
den letzten Jahren unermüdlich als "Kunden" bezeichneten Studierenden
plötzlich "zahlende Kunden" werden, die ganz naturgemäß-psychologisch viel
eher bereit sein werden, Leistungen einzufordern.

Herr Vogel! Es gibt lobenswerterweise auch jetzt schon an der FH Bochum Professoren und (Wissenschaftliche) Mitarbeiter, die ihren Job als Dienstleistung sehen - ohne finanziellen Druck. Glauben Sie ernsthaft, dass sich die Kandidaten, die das bisher nicht so gesehen haben, genauso plötzlich, wie der Geldsegen eintritt, vom Saulus zum Paulus wandeln werden und sich plötzlich als Dienstleister am Kunden sehen? Und zwar so zügig, dass auch die ersten zahlenden Studenten noch vor der Abgabe der Diplomarbeit etwas davon haben werden?

Dem Rektor der Uni Bielefeld, möglicherweise weniger
hellseherisch begabt als unsere studentischen Senatsmitglieder, hat seine
Sorge um das Ergebnis (besser gesagt: das, was er angeblich gegen die
Zerstreuung dieser Sorge unternommen hat) ziemlich üble Presse
eingebracht.

Leider fehlen mir auch hier näheres Infos, und der ASTA der Uni Bielefeld ist naturgemäß nicht unparteiisch (Zitat: "Um seine Position zu stärken, hat sich das Rektorat im Vorfeld mit geheimen Treffen, einer widerlichen Pressearbeit und undemokratischen Umgangsformen hervorgetan, um die SenatorInnen unter Druck zu setzen."). Haben Sie nähere Infos?

MfG

Christoph Heitfeld


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum